Rund 30 Kilometer nördlich der Stadt Kampong Thom, in der gleichnamigen Provinz, erstreckt sich die Tempelzone von Sambor Prei Kuk. Der beeindruckende Komplex in der Zentralebene von Kambodscha zählt zu den wichtigsten archäologischen Stätten von Südostasien. Bei Sambor Prei Kuk handelt es sich um die älteste bisher bekannte Tempelanlage des Landes. Sie diente als Hauptstadt des Königreichs Chenla, welches im 6. und 7. Jahrhundert nach Christi, also noch vor dem Reich der Khmer, existierte. Der Name bedeutet übersetzt „die Tempel im reichen Wald“, was auf die Lage inmitten einer grünen und natürlichen Umgebung hinweist.
Die Tempelzone von Sambor Prei Kuk wurde im Jahr 2017 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Sie ist älter als Angkor Wat und trotzdem außergewöhnlich gut erhalten. Einzigartig und entscheidend ist das Erkennen einer vormodernen Stadt, die geplant und sehr strukturiert war. Runde Türme an zahlreichen Gebäuden sind beispielsweise im südostasiatischen Raum ausgesprochen selten zu finden. Viele der verbauten Stilelemente wurden später in Angkor perfektioniert und sind Teil der von der UNESCO geehrten außergewöhnlichen architektonischen Ausdrucksform. Sambor Prei Kuk gilt als direkter Vorgänger der Khmer-Hochkultur. Die Anlage wurde also als ein Zeugnis für eine wichtige, untergegangene Zivilisation ausgezeichnet, die den Baustil in der Gegend für eine lange Zeit prägte.
Im 7. Jahrhundert nach Chr. war die Tempelzone von Sambor Prei Kuk das politische und das religiöse Zentrum des Königreichs Chenla. Der Name der Stadt lautete Isanapura und sie wurde unter der Herrschaft des Königs Isanavarman I zur Hauptstadt ernannt. Viele der damals entstandenen Tempel zeigen in ihrem Baustil Merkmale, die heute als charakteristisch auch für die Khmer-Architektur gelten. Achteckige Grundrisse, Backsteintürme und kunstvolle Stuckdekorationen sind typische Elemente. Als Angkor immer größer und wichtiger wurde, verlor Isanapura an Bedeutung und die Natur eroberte sich die Anlage langsam zurück. Archäologen entdeckten die vom Dschungel überwucherte Tempelzone Sambor Prei Kuk erst Ende des 19. Jahrhunderts wieder. Mit der systematischen Erforschung wurde in den 1930er Jahren begonnen, aber aufgrund der politischen Wirren und des Bürgerkriegs zwischen 1970 und 1975 wurden die Ausgrabungen immer wieder unterbrochen und das Areal verwilderte wieder.
Die Anlage UNESCO Weltkulturerbe Kambodscha – Tempel Zone of Sambor Prei Kuk erstreckt sich über etwas mehr als 2500 Hektar, auf denen mehr als einhundert Tempelruinen zu sehen sind. Ungewöhnlich für die Region ist die oft oktogonale Form der unter anderem aus Backsteinen errichteten Gebäude. Besonders die kunstvollen Dekorationen aus Stuck und die Schnitzereien sind etwas ganz Besonderes. Die Anlage unterteilt sich in die Nordgruppe (Prasat Sambor), die dem Hindu-Gott Shiva gewidmet ist und wo sich der Haupttempel (Löwentempel) befindet, dessen Eingänge von Löwenstatuen bewacht werden. Die Zentralgruppe (Prasat Tor) mit ihren großen Toren und Türmen war wahrscheinlich das religiöse Zentrum von Isanapura, während die Südgruppe (Prasat Yeai Poeun) durch die besonders feinen Dekorationen und kleine Schreine beeindruckt. Jeder einzelne Bereich war von Mauern umgeben. Florale Muster, Wesen aus der Mythologie und Götterfiguren ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Auf der gesamten Ausgrabungsstätte herrscht eine mystische Atmosphäre, da viele der Tempel auch heute noch zum Teil von Bäumen und Sträuchern überwuchert sind. Die Inschriften in dieser ältesten bekannten Tempelstadt von Kambodscha geben den Archäologen wichtige Informationen zu Religion, Gesellschaft und Geschichte. Es wird vermutet, dass die Tempel neben den religiösen Zwecken auch kulturellen und politischen Handlungen dienten, denn es wurden Hinweise auf ein komplexes Herrschaftssystem mit einer astronomischen Ausrichtung gefunden.
Die größtenteils hinduistisch geprägte Tempelzone von Sambor Prei Kuk, in der Natur und Geschichte miteinander verwoben sind, gilt heute als spirituelles Erbe von Kambodscha. Sie ist nicht nur eine Ausgrabungsstätte, sondern ein Fenster, durch welches wir einen ausgezeichneten Blick in die noch wenig bekannte Frühgeschichte dieser Gegend in Südostasien werfen können.